Herzklopfen bis in den Hals – und das nicht erst, als kurz vor meinem Auftritt mein Name durch das Mikrofon ertönte, sondern schon bei der Anmeldung zum ersten Student Poetry Slam in Darmstadt. Bis zur Auslosung der Teilnehmer herrschte in mir abwechselnd entweder der Wunsch vor, nicht ausgelost zu werden, oder aber, unbedingt einen Platz auf der Teilnehmerliste zu ergattern, um keine andere Wahl zu haben.
Dazu muss man aber in der Zeitrechnung ein halbes Jahr zurückspringen – bis dato war es nämlich undenkbar, dass ich auch nur in die Nähe einer Bühne komme. Denn Präsentationen waren mein schlimmster Feind. Schweißausbrüche, Übelkeit, zittrige Stimme, schlotternde Knie – alles inklusive. Immer. Irgendwann beschloss ich aber, dass es so nicht weitergehen kann und ging mit der Anmeldung zum Student Slam aufs Ganze. Denn mein Motto für 2016 lautet: Raus aus der Comfort Zone!
Die Nacht vor dem Slam war eine schlaflose. Meine Texte waren bis einige Stunden vor dem Auftritt nicht finalisiert. Also, sie waren schon irgendwie fertig, aber sie wurden noch nicht ganz meinen Ansprüchen gerecht – und jeder, der schreibt, kennt das sicher. Schreiben tue ich schon lange, aber slammen? Das waren meine ersten Texte, die ich für einen Poetry Slam geschrieben habe. Und perfektionistisch wie ich bin, musste natürlich alles stimmen. In der Uni schaffte ich es an dem Tag in keine einzige Vorlesung oder Übung. Mein Kopf wäre ohnehin nur bei meinen Texten gewesen.
Dann ab auf die Mathildenhöhe. Das Foyer des Fachbereichs Gestaltung füllte sich ziemlich schnell und kaum kam ich aus dem Backstagebereich zurück, wo ich Bescheid gab, dass ich da war, waren auch schon alle Stühle besetzt. Die Leute standen sogar oder saßen auf dem Boden, um den Poeten auf der Bühne zuhören zu können. Buhen und Pfeifen war verboten, aber man hatte sowieso das Gefühl, dass jeder Respekt vor denen hatte, die sich auf die Bühne trauten – und das nahm mir ein wenig die Nervosität.
Die Reihenfolge, in der die neun Teilnehmer auf die Bühne durften, wurde ganz klassisch mit kleinen Zetteln ausgelost. Mein Name stand als letztes auf der Liste und ich wusste nicht so recht, ob ich das gut finden sollte oder nicht.
Es gab drei Runden mit je drei Teilnehmern, aus denen immer eine Person durch die Bewertung einer zufällig ausgewählten Publikumsjury ins Finale gewählt wurde. Es zog sich gefühlt ewig hin. Und dann gab es nach den ersten zwei Runden auch noch eine Pause. Ich wurde abwechselnd ruhig und dann stieg mir wieder mein Herzklopfen in den Hals. Aber ich hatte keine Angst mehr – wie noch am Tag zuvor – ich freute mich sogar richtig auf meinen Auftritt. Die Nervosität blieb natürlich trotzdem.
Gespannt lauschte ich den Texten der anderen und empfand eine so große Anerkennung für ihren Mut und schöpfte daraus einiges an Mut für mich selbst. So betrachtet war es gut, dass ich die letzte Teilnehmerin war. Mir half außerdem der Gedanke daran, dass im Publikum Menschen saßen, die an mich glaubten, die meine Texte schon gehört hatten und die mich immer und immer wieder ermutigt haben, als ich an mir zweifelte. Ich dachte: “Selbst wenn sonst keiner für dich klatscht, sitzen da ein paar Leute im Publikum, die an dich glauben.” Und das hat mir gereicht.
In meiner Runde trat ich gegen Marius und Oliver an, die für mich persönlich herausragende Vortragende waren. Kein Anzeichen von Unsicherheit bei den beiden. Dann war ich dran. Mein erster Text trug den Namen “Mein König” und ich war wirklich sehr aufgeregt. Eine Offenbarung von Gefühlen, die mir dabei half, etwas hinter mir zu lassen – besonders, weil ich so viele Menschen daran teilhaben lassen konnte. Meine genaue Wertung habe ich dann in der Aufregung gar nicht richtig mitbekommen. Ich weiß nur noch, dass meine Freunde mir sagten, ich sei in der zweiten Runde – also im Finale.
Es ging auch direkt weiter und im Finale trat ich gegen Sofia und Gabriela an, die beide wunderschöne Texte hatten, in denen ich mich sehr gut wiedererkennen konnte. Wieder war ich die letzte in der Runde, aber diesmal konnte ich viel selbstsicherer auf die Bühne treten. Die Nervosität war natürlich noch da, aber das positive Feedback aus dem Publikum gab mir ein gutes Gefühl. Der zweite Text trug den Titel “Zwo, Eins, Risiko!” und war die Fortsetzung meines ersten Textes, mit einigen Verweisen, die ich vom ersten mit in den zweiten Text genommen hatte. Ich war glücklich, dass ich noch meinen zweiten Text vortragen durfte, denn er war im Vergleich zum ersten hoffnungsvoller und ließ mich die negativen Gedanken, die ich in “Mein König” verarbeitet hatte, komplett vergessen.
Wer den ersten Student Slam gewinnen sollte, entschied im Anschluss das Publikum durch eine Applaus-Abstimmung – und wieder war ich die letzte, für die geklatscht werden sollte. Der Applaus für Gabriela und Sofia war so laut, dass ich nicht geglaubt habe, er könne noch lauter werden. Aber er wurde lauter. Und das war dann ein bisschen so, wie wenn man Geburtstag hat und man vor seiner Torte sitzt und alle für einen “Happy Birthday” singen und man nicht weiß, was man tun soll – außer dazustehen und zu warten, dass es vorbei ist, damit man sich endlich bedanken kann. Und das möchte ich an dieser Stelle auch tun.
Ich bedanke mich bei Jule Weber, an deren Workshop ich teilnehmen durfte und zu der ich sehr aufsehe, ich bedanke mich bei Aileen und meinen ehemaligen Onlinejournalismus-Kommilitonen, die das Ganze auf die Beine gestellt haben, ich sage Danke an Nikita, der für eine wunderbare musikalische Unterhaltung an dem Abend gesorgt hat, ein großes Dankeschön geht auch an Lars Thomas, der die Fotos gemacht hat und ich bedanke mich natürlich bei allen, die da waren und die für mich abgestimmt und geklatscht haben. Danke an meine Lisa und an Louis (besonders an euch beide, weil ihr euch meine Texte immer und immer wieder anhören musstet, bis sie euch aus den Ohren rauskamen), an Jan, Liann, Saskia, Dorothea, Mirijam, Lisa V., Inka, Madeleine, Alexandra und allen anderen, die da waren und die ich jetzt in der Euphorie vergessen habe.