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Jorin Gundler produziert Dokumentarfilm über Ungarndeutsche

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In eurer Dokumentation „Blaufärber, Patschker & Polka“ erzählt ihr die Geschichte der Donauschwaben, die im Süden Ungarns leben. Welchen Eindruck habt ihr während eurer Dreharbeit von den Menschen und ihrer Mentalität bekommen?

Ja, wir haben hauptsächlich im Süden Ungarns, im Gebiet der sogenannten Schwäbischen Türkei und der Batschka, gedreht. Aber auch in anderen Gebieten, wo es noch intaktes ungarndeutsches Leben gibt. In erster Linie fällt die unglaubliche Gastfreundschaft auf, das ist aber sehr typisch für Ungarn, nicht spezifisch ungarndeutsch. Überall wurden wir mit Pálinka und belegten Broten empfangen und stets fiel der Abschied schwer. Hunger und Durst mussten wir nie leiden, auch wenn unser Verzicht auf Salami und Schinken (beide Vegetarier) nicht wirklich verstanden, aber stets toleriert  wurde.

Die Vorfahren der Ungarndeutschen kamen aus Deutschland ins Land, und zwar vor 300 Jahren. Daher sind sie natürlich längst Ungarn. Die Minderheit, die Dialekte, Kultur und Tradition noch lebt, ist eine Minderheit innerhalb einer Minderheit. Diese lebt oft in Orten, die von der Vertreibung 1946/47 kaum betroffen war. Diese Menschen haben interessanterweise, über 300 Jahre sehr viel der „deutschen“ Mentalität erhalten. Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Zusammenhalt. Manchmal hat man den Eindruck gehabt, man wäre in Hessen, Franken, Bayern oder Baden-Württemberg vor 50 Jahren…aber im positiven Sinne. Eine Zeitreise in die „gute, alte Zeit“.

Warum habt ihr euch dazu entschlossen, die Ungarndeutschen zu porträtieren? Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

Udo, unser Autor und Produzent, hat sechs Jahre dort gelebt. Das hat natürlich viele Türen geöffnet. Wir haben festgestellt, dass das Thema in Deutschland für sehr viele Menschen völlig unbekannt ist, etwas Neues und viele Ungarndeutsche fühlen sich von der „alten“ Heimat etwas vergessen. Da lag es nah etwas zu machen.

Welche wesentlichen Unterschiede sind euch zwischen der ungarndeutschen Kultur und der Kultur, wie wir sie hier und heute in Deutschland leben, aufgefallen?

Wie gesagt, wir sprechen von dem kleineren Teil der Ungarndeutschen, welche diese Kultur noch lebt und weitergibt. Das pauschal zu beurteilen fällt schwer, aber man hat den Eindruck, dass Kultur, Bräuche und der Erhalt von Sprache einen höheren Wert haben. Aber wir denken, dass genau das die Minderheiten in einem Land ausmacht. Aber das, was bei uns hinsichtlich Tanzen, traditioneller Musik und Bräuchen mit den nächsten Generationen immer mehr verloren geht, ist ein wichtiger Bestandteil deren Gemeinschaft, bei Alt und Jung.

In eurem Film werft ihr die Frage auf, ob die ungarndeutsche Kultur in der Zukunft noch Bestand hat. Welche Antwort habt ihr persönlich darauf gefunden?

In die Zukunft können wir nicht sehen, aber wir glauben, dass es auch in der Zukunft eine ungarndeutsche Minderheit geben wird. Diese wird aber von Generation zu Generation, wie überall, einem Wandel unterliegen, bedingt durch soziale Medien, Globalisierung, freie Wahl von Land und Ort und so weiter.

Aber noch lange werden Musik und Tanz ein wesentlicher Bestandteil der ungarndeutschen Kultur bleiben. Die verschiedenen Dialekte werden in den nächsten Jahren mit dieser Generation aussterben. Die Muttersprache ist Ungarisch geworden, Deutsch oft nur zur Zweitsprache auf Schulniveau.

Wann und wo gibt es den Film zu sehen?

Im März wird ein Porträt über eine alte ungarndeutsche Dame als Kurzfilm (30 Minuten) fertig. Dieser wurde aus Mitteln des Freistaat Bayerns gefördert und soll auf Festivals laufen oder auf Mediatheken. Da verhandeln wir gerade.

Für den HR produzieren wir gerade eine Doku zur Vertreibung der Ungarndeutschen nach dem Krieg – 2/3 wurden nach Deutschland vertrieben. Diese wird im Mai im HR und dessen Mediathek zu sehen sein. Unser „Hauptfilm“, der von der Ansiedlungsgeschichte bis zur Zukunftsfrage reicht (ca. 90 bis 120 Minuten) wird vermutlich zum Jahreswechsel fertig werden. Er wird auch für den ungarischen Markt untertitelt. Wo er dann zu sehen sein wird, steht noch in den Sternen. Aber es wird sicher eine DVD geben.


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